Die Pflegeberatungslandschaft in Deutschland: Ein Überblick
Das Wichtigste in Kürze
- Jede/r Pflegebedürftige hat einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegeberatung
- die Kranken- bzw. Pflegekassen sind hierfür die ersten Ansprechpartner
- daneben gibt es Pflegestützpunkte, Seniorenbüros, private und trägergebundene Beratungsstellen sowie weiterführende Informationen auf Online-Portalen
- Nicht zuletzt bietet die BIVA umfangreiche und kostenfreie Informationen, die man, insbesondere im pflegerechtlichen Bereich, sonst nirgendwo findet
Unfall, Krankheit, Alter – ist plötzlich dauerhafte Pflege notwendig, stellen sich den Betroffenen und ihren Angehörigen viele Fragen, um die Versorgung sicherzustellen. Seit dem 01. Januar 2009 hat zwar jeder Pflegebedürftige in Deutschland Anspruch auf eine kostenlose professionelle Pflegeberatung durch die Pflegekassen. Aber die Beratungslandschaft ist regional unterschiedlich organisiert und daher oft schwer zu durchschauen: Pflegestützpunkte, kommunale Beratungsstellen, Caritas und Co. – an wen wendet man sich am besten? Und was genau leistet die Pflegeberatung?
Gesetzlicher Anspruch auf Pflegeberatung
2008 wurde als Ergänzung zur Pflegeversicherung von 1995 das so genannte Pflege-Weiterentwicklungsgesetz erlassen, um die Belange der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen besser zu bedienen. Es sieht unter anderem die Schaffung von Pflegestützpunkten durch die Kranken- und Pflegekassen auf Initiative eines Bundeslandes vor. Diese sollen als örtliche Beratungsstelle die Pflegeberatung durchführen, auf die seit dem 01.01.2009 alle gesetzlich Versicherten Anspruch haben (§ 7a SGB XI), sobald sie einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung gestellt haben. Für privat Versicherte wird die Pflegeberatung durch das Unternehmen „COMPASS Private Pflegeberatung“ angeboten. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) vom 01. Januar 2017 erhalten auch pflegende Angehörige oder weitere Personen einen eigenen Anspruch auf Pflegeberatung, wenn der Betroffene zustimmt.
Wie läuft die Beratung der Pflegekassen ab?
Erste Anlaufstelle sollte die Krankenkasse bzw. Pflegekasse sein. Sie gibt in der Regel zunächst telefonisch Auskunft über Hilfsangebote in der Nähe, informiert über die zustehenden Leistungen und berät wenn notwendig auch vor Ort bei einem Hausbesuch. Wurde bereits ein Antrag auf Leistungen gestellt, muss die Kasse unter Angabe einer Kontaktperson einen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang anbieten. Hat die Kasse keine eigenen Pflegeberater, stellt sie einen Beratungsgutschein aus und nennt Anlaufstellen, die dies in ihrem Auftrag ebenfalls innerhalb der Zwei-Wochen-Frist durchführen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind das in erster Linie so genannte Pflegestützpunkte. Deutschlandweit sind es rund 500, die einzeln oder gemeinsam von Krankenkassen, Kommunen und/oder Wohlfahrtsverbänden organisiert sind. In einigen Bundesländern, wie etwa in Rheinland-Pfalz, gibt es flächendeckend Pflegestützpunkte, in anderen sind es kommunale Senioren- und Pflegeberatungsstellen. So haben beispielsweise Sachsen und Sachsen-Anhalt andere Strukturen als die Pflegestützpunkte geschaffen.
Was leisten die Pflegestützpunkte?
Ein Pflegestützpunkt ist die zentrale Anlaufstelle für eine umfassende und unabhängige Auskunft und Beratung rund um das Thema Pflege. Hier erfahren Betroffene, welche Leistungen ihnen zustehen und bekommen Unterstützung dabei, geeignete Hilfen auszuwählen. Zudem koordinieren und vernetzen die Berater alle in Betracht kommenden medizinischen, pflegerischen und sozialen Maßnahmen, um eine wohnortnahe Versorgung und Betreuung zu gewährleisten. Auch wenn die Leistungen bereits in Anspruch genommen werden, unterstützt der Berater weiterhin und steht für Fragen zur Verfügung. Beispiele für Beratungsthemen sind etwa: Ermittlung des Pflegebedarfs durch Pflegegrade, Informationen zu häuslicher und stationärer Pflege, barrierefreies Wohnen oder Zuschüsse und Kostenübernahmen. Hilfreich sind auch die Leistungs- und Preisvergleichslisten zu den Anbietern vor Ort, die viele Pflegestützpunkte anbieten.
Was sind Seniorenbüros?
Seniorenbüros sind Informations-, Beratungs- und Vermittlungsstellen für ehrenamtliches und freiwilliges Engagement von Menschen „50 plus“. Sie entstanden Anfang der 1990er-Jahre auf Initiative des Bundesfamilienministeriums. Sie übernehmen beispielsweise kommunale Aufgaben der Altenhilfe, informieren und vermitteln Ehrenamtliche, bieten Weiterbildungsangebote, unterstützen Projekte oder vernetzen Akteure in der Kommune.
An wen kann ich mich noch wenden?
Was ist mit privaten und trägergebundenen Beratungsstellen?
Neben der „offiziellen“ Pflegeberatung der Pflegekassen gibt es vor Ort und im Internet zahlreiche Anbieter von Pflegeberatungen und Informationen zur Pflege.
- Ambulante Pflegedienste und Sozialstationen
- Kirchliche Institutionen und Wohlfahrtsverbände
- Private Pflegeberater
- Internetportale
Wie erkenne ich unseriöse Beratungsangebote?
Beratungsstellen, die nicht den gesetzlichen Auftrag dazu haben, beraten selbstverständlich aus einem bestimmten Interesse heraus. Das ist an sich nichts Schlechtes – oftmals haben sie einen sehr guten Überblick und viel Fachwissen –, aber es gibt auch schwarze Schafe. Doch leider fehlt es an einem deutschlandweit einheitlichen Siegel o.ä., durch das man schnell und verlässlich erkennen kann, welche Art der Beratung man erwarten kann. Beispielsweise bieten einige Beratungsstellen auch eine Wohnberatung mit an, andere nicht. In jedem Fall sollte man auf einige Punkte achten, um unseriöse Angebote erkennen zu können:
- Leistet der Beratungsdienst auch Beratung nach § 37 SGB XI? Hinter diesem Paragrafen verbirgt sich die halbjährliche Beratung, die Menschen zusteht, die bereits einen Pflegegrad haben. Wenn eine Beratungsstelle dafür qualifiziert ist und von den Kassen dafür zugelassen wurde, leistet sie in der Regel qualifizierte Arbeit.
- Ist transparent, wie sich der Service finanziert? Es gibt beispielsweise Internetportale, die eine Vermittlungsgebühr von bestimmten Einrichtungen erheben. Wird darauf hingewiesen?
- Ist der Anbieter bekannt und seriös? Gibt es bei Portalen beispielsweise ein nachvollziehbares Impressum?
- Ist die Beratung neutral und richtet sich nach dem individuellen Bedarf oder versucht man das bestehende eigene Angebot zu verkaufen, auch wenn es nicht genau passt?
- Hat der Berater eine entsprechende berufliche Qualifikation? Pflegeberater sind z.B. Pflegefachkraft, Sozialarbeiter oder Sozialversicherungsfachangestellte mit Weiterbildung.
- Ein respektvoller und zugewandter Umgang sowie Zuverlässigkeit und Diskretion sind weitere Merkmale einer professionellen Beratung.
Wo finde ich allgemeine und weiterführende Informationen zum Thema Pflege?
Die Pflegeberatung der Kassen greift erst, wenn ein Antrag auf Pflegeleistungen bzw. auf Begutachtung gestellt wurde. Dann gibt es aber meist einen hohen zeitlichen Druck und wichtige Entscheidungen werden übereilt getroffen. Wer sich im Voraus zum Thema Pflege informieren möchte, wird dennoch an zahlreichen Stellen fündig.
Offizielle Portale
- Fragen rund um die Themen Pflege und Familienpflegezeit beantwortet das Service-Portal Wege zur Pflege.
- Zur Pflegeversicherung informiert Sie der Online-Ratgeber Pflege des Bundesgesundheitsministeriums.
- Das Bürgertelefon für Gesundheitsfragen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erreicht man unter Telefon 030 / 340 60 66 – 03 für Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Pflegeversicherung. Pflegende Angehörige erhalten unter der Nummer 030-20179131 Expertenrat beim Pflegetelefon des BMG.
Gemeinnützige Vereine und Initiativen
Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) bietet unabhängige Beratung zu gesundheitsrechtlichen und medizinischen Themen, etwa wenn es Ärger mit der Krankenkasse gibt.
Selbsthilfegruppen und Internetforen
Zu vielen Krankheitsbildern und allgemein bei Pflegebedürftigkeit gibt es eine Vielzahl von Selbsthilfegruppen und Austauschmöglichkeiten, vor Ort und im Internet. Adressen von Gruppen in ihrer Nähe findet man beispielsweise unter www.nakos.de.
Hervorzuheben sind die Alzheimer Gesellschaft, die auch viele Angebote und Wissen rund um Demenz bietet, und die Selbsthilfeorganisation für pflegende Angehörige „wir pflegen“.
Zum Schluss soll natürlich auch der BIVA-Pflegeschutzbund nicht unerwähnt bleiben.
Der gemeinnützige Verein bietet ein umfassendes Angebot an Information und Beratung:
- Informationen zu rechtlichen, politischen und allgemeinen Aspekten der Pflege
- Vorträge und Schulungen für Bewohnervertretungen und Interessierten zu Themen der Vorsorge, Rechte und Pflichten
- rechtliche und allgemeine Beratung durch qualifizierte Juristen bei allgemeinen Fragen und Problemen mit der Versorgung, der Einrichtung oder dem Pflegedienst
Ähnlich wie bei einer Selbsthilfegruppe findet man auch beim BIVA-Pflegeschutzbund Austausch mit Menschen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden.
Jetzt Mitglied und Teil einer starken Gemeinschaft werden.
Wie finde ich Beratungs- und Informationsstellen?
Der Weg zur offiziellen Pflegeberatung nach § 7a SGB XI ist, wie oben ausgeführt, über Ihre Pflegekasse. Auch bei der Kommune – im Rathaus, dem Seniorenbüro o.ä. – kommen Sie sicher weiter.
Daneben gibt es Internetverzeichnisse, die eine Ortssuche ermöglichen. Ein offizielles für das Land NRW ist beispielsweise der „Pflegewegweiser NRW“.
Die umfangreichste Adresssammlung nicht-kommerzieller Angebote inkl. Angaben zu den Schwerpunkten der Beratungsstellen in ganz Deutschland bietet das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) mit ca. 4.500 Anlaufstellen für Beratung in Deutschland, zum Thema Pflege, aber auch zu Selbsthilfe, Wohnen, Demenz, Beschwerden und Betreuungsrecht.