Dass Krankenhäuser häufig nicht auf die besonderen Bedürfnisse und Verhaltensweisen dementer Patienten eingestellt sind, ist bekannt. Künftig werden aber einige Häuser sicherlich genauer darauf achten, wie demente Menschen zu beaufsichtigen sind. Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 17.01.2017 entschieden, dass seitens eines Krankenhauses Schadensersatz zu leisten ist, wenn eine demente Patientin aus einem ungesicherten Fenster in die Tiefe stürzt.
Im vorangegangenen Fall war eine 81-jährige demente Patientin aufgrund eines Schwächeanfalls stationär in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Auf der Station war die Patientin unruhig, aggressiv, verwirrt sowie desorientiert und zeigte die Tendenz, wegzulaufen und die Station zu verlassen. Neuroleptika konnten diesen Zustand nicht lindern. Das Personal versuchte daher durch Behindern der Tür ein Weglaufen zu verhindern. Am dritten Tag des Krankenhausaufenthalts kletterte die Patientin unbemerkt aus dem Fenster, stürzte ca. fünf Meter tief und verletzte sich erheblich mit mehreren Frakturen. Nach Behandlung der Verletzungen in einem anderen Krankenhaus, zog die Patientin in ein Pflegeheim, wo sie später verstarb. Die durch den Unfall bedingten Kosten für die Heilbehandlung beliefen sich auf ca. 93.000 Euro. Die Krankenkasse der Betroffenen wandte sich daraufhin an das Krankenhaus, um dieses unter Hinweis auf unzureichende Sicherungsmaßnahmen in Regress zu nehmen, und klagte nach Ablehnung einer Zahlungspflicht.
Die Klage war in zweiter Instanz erfolgreich, das Krankenhaus wurde zur Zahlung verurteilt. Das OLG vertrat die Auffassung, das Krankenhaus habe gegen seine vertraglichen Fürsorgepflichten und gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Es hätte die Aufgabe gehabt, die Patientin im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Gefahren und Schaden schützen müssen, in Ansehung ihres Zustands. Dies vor dem Hintergrund, dass die Patientin am Unfalltag mehrfach versucht habe, aus dem Zimmer zu gelangen und ein unberechenbares Verhalten an den Tag legte. Der bestellte medizinische Sachverständige bestätigte, dass Personen mit einem Krankheitsbild wie das der Betroffenen nahezu alles täten, um wegzulaufen. Der Fluchtversuch durch das Fenster hätte in diesem Zusammenhang in Betracht gezogen werden müssen, zumal das Fenster nicht verschließbar war und im Zimmer vorhandene Möbel als Kletterhilfe in Frage kamen. Das Gericht kam entsprechend zu dem Schluss, dass es für das beklagte Krankenhaus möglich und zumutbar gewesen ist, die Patientin in ein ebenerdiges Zimmer zu verlegen und/oder das Öffnen des Fensters zu verhindern. Da nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, sah der Senat ein pflichtwidriges Unterlassen als haftungsbegründend an.
Urteil des OLG Hamm vom 17.01.2017; Az.: 26 U 30/16