Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung von 50 auf 30. Ein im Verfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger lehnte eine Begutachtung des Klägers ab, weil dieser die Anwesenheit eines seiner Kinder als Vertrauensperson während der durchzuführenden Anamnese verlangt hatte. Dem Kläger wurde vorgeworfen, dass er die erforderliche Beweisaufnahme, also die Erstellung des Sachverständigengutachtens, verhindert bzw. vereitelt habe. Dieser Ansicht ist das Bundessozialgericht entgegengetreten.
Urteilsbegründung
Bei gerichtlich angeordneten Untersuchungen durch medizinische Sachverständige darf die zu begutachtende Person grundsätzlich durch eine Vertrauensperson begleitet werden. Allerdings könne das Gericht – und nur dieses, nicht auch ein Gutachter oder sonstiger am Verfahren Beteiligter – den Ausschluss einer Vertrauensperson anordnen, wenn ihre Anwesenheit im Einzelfall eine geordnete, effektive oder unverfälschte Beweiserhebung erschwere oder verhindere. Dabei seien Differenzierungen etwa nach der Beziehung zwischen Verfahrensbeteiligten und Begleitperson, dem medizinischen Fachgebiet oder Phasen der Begutachtung in Betracht zu ziehen.
BIVA-Kommentar
Auch wenn die Entscheidung im Rahmen des Schwerbehindertenrechts gefällt worden ist, weist sie weit darüber hinaus, da hier ein sich auch auf andere Rechtsgebiete beziehender Grundsatz aufgestellt wurde: Jede zu begutachtende Person darf grundsätzlich eine Vertrauensperson bei der durchzuführenden medizinischen Untersuchung hinzuziehen. Das gilt dann etwa auch für das Betreuungsrecht, bei Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst etwa wegen Feststellung des Pflegegrades, aber auch bei der Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen.
Der zweite wichtige Aspekt: nur das Gericht darf diese Begleitung untersagen. Und das auch nur dann, wenn ansonsten die Begutachtung an sich gefährdet ist.
Bundessozialgericht, Entscheidung vom 27.10.2022 – AZ: B 9 SB 1/20 R