Besondere Ernährung im Pflegeheim
Menschen, die in Einrichtungen leben, benötigen aus gesundheitlichen Gründen oft mehr als nur die reguläre Ernährung, die die Heimküche oder ein externer Zulieferer zu bieten haben.
Manche Menschen können aus medizinischen Gründen auch keine Nahrung auf natürlichem Wege mehr aufnehmen.
Beide Personengruppen benötigen eine ihren Bedürfnissen angepasste Ernährung. Wer für die dadurch entstehenden Mehrkosten aufzukommen hat, ist nicht immer eindeutig und hat mehrfach die Gerichte beschäftigt.
- Was ist „enterale Ernährung“
- Gibt es enterale Ernährung auch in der Einrichtung?
- Wer hat die Kosten der enteralen Ernährung zu tragen?
- Muss ich bei enteraler Ernährung trotzdem den vollen Verpflegungssatz bezahlen?
- Kann ich verlangen, die Verpflegungskosten erstattet zu bekommen, wenn ich sie bereits bezahlt habe?
- Wie sind die Fälle zu beurteilen, bei denen neben der enteralen Ernährung noch zusätzliche Nahrung verabreicht wird?
- Wie lange kann ich verlangen, zuviel gezahlte Verpflegungskosten erstattet zu bekommen?
- Kann die Frage der Kostenerstattung vorsorglich im Wohn- und Betreuungsvertrag geregelt werden?
- Was versteht man unter Diäten?
- Gilt für diätetische Lebensmittel das Gleiche wie für Sondenernährung?
- Wohin kann ich mich bei Fragen wenden?
Was ist „enterale Ernährung“?
Der Begriff „enterale Ernährung“ bedeutet Ernährung über den Magen-Darm-Trakt (aus dem griechischen: enteron = Darm).
Wenn ein Mensch längere Zeit nicht ausreichend essen kann, darf oder will, droht Mangelernährung. In einem solchen Fall kann ein Arzt eine enterale Ernährung empfehlen.
Voll bilanzierte enterale Nahrungen enthalten alle Nährstoffe, die man zur dauerhaften Ernährung benötigt, also Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette, aber auch alle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.
Wenn ein Patient zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung im Halsbereich nicht mehr schlucken kann, erhält er die Nahrung durch einen kleinen, dünnen Schlauch, eine Sonde. Diese Sonde wird entweder vorübergehend durch die Nase in den Magen geführt oder sie wird dauerhaft durch eine kleine Einstichstelle durch die Bauchdecke in den Magen oder Dünndarm gelegt (sog. Sondenernährung).
Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen ein Patient überhaupt nicht über den Magen-Darm-Trakt ernährt werden kann, zum Beispiel bei einer entzündlichen Darmerkrankung oder nach einer Darmoperation. Die Patienten erhalten die Nährstoffe mittels Infusionen dann direkt in die Blutbahn injiziert. Man spricht dann von „parenteraler Ernährung“, weil sie unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes erfolgt.
Gibt es enterale Ernährung auch in der Einrichtung?
Ja! Auch in einer Einrichtung ist – wie jede medizinisch indizierte Behandlung – eine enterale Ernährung möglich. Sie wird vom Arzt angeordnet. Die Einrichtung muss für die Verabreichung der Nahrung geschultes Personal vorhalten.
Wer hat die Kosten der enteralen Ernährung zu tragen?
Die vom Arzt verordnete enterale Ernährung wird von den Krankenkassen bezahlt.
Muss ich bei enteraler Ernährung trotzdem den vollen Verpflegungssatz bezahlen?
Wenn die Bewohnerin oder der Bewohner keine andere Nahrung zu sich nimmt, darf der Heimbetreiber nicht doppelte Verpflegungskosten berechnen. Er muss sich bei der Verabreichung von enteraler Ernährung die ersparten Aufwendungen für die „normale“ Essenszubereitung anrechnen lassen. Mit anderen Worten: Er muss die Kosten für die „normale“ Verpflegung aus dem Heimentgelt herausrechnen.
Kann ich verlangen, die Verpflegungskosten erstattet zu bekommen, wenn ich sie bereits gezahlt habe?
Hat die Bewohnerin/der Bewohner bereits den vollen Verpflegungssatz gezahlt, hat sie/er in Höhe der ersparten Aufwendungen einen Erstattungsanspruch gegenüber der Einrichtung.
Diese prinzipielle Pflicht des Einrichtungsträgers zur Erstattung ersparter Verpflegungsaufwendungen bei ausschließlicher Sondenernährung hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 04.11.2004 (Az. III ZR 371/03) in Fortführung seiner Rechtsprechung vom 22. 01.2004 (Az. III ZR 68/03) bestätigt. Der BGH betonte ausdrücklich, dass es nicht gerechtfertigt ist, dass Bewohner von stationären Einrichtungen, die mit Sondennahrung verpflegt werden müssen, zu einem Solidarausgleich für die Vergütung der Verpflegung herangezogen werden. Bewohnerinnen und Bewohner, die die Verpflegung aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht in Anspruch nehmen können, müssen die nicht erbrachte Leistung demnach nicht bezahlen.
Die Höhe dieser ersparten Aufwendungen richtet sich nach der jeweiligen Kostengestaltung der Einrichtung. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wurde ein Betrag von 3,50 Euro/Tag nicht beanstandet. In der neuesten Rechtsprechung des BGH vom 06.02.2014, Az. III ZR 187/13 war von etwa 1/3 der Verpflegungskosten die Rede. Im Einzelfall kann es natürlich Abweichungen geben.
Wie sind die Fälle zu beurteilen, bei denen neben der enteralen Ernährung noch zusätzliche Nahrung verabreicht wird?
Wenn neben der enteralen Ernährung z.B. noch Getränke zubereitet und verabreicht werden, entstehen der Einrichtung dadurch Kosten, die von der Bewohnerin oder dem Bewohner zu bezahlen sind. Dadurch können sich die ersparten Aufwendungen des Einrichtungsträgers vermindern bzw. der Betrag, der gutzuschreiben ist, verringern.
Wie lange kann ich verlangen, zu viel gezahlte Verpflegungskosten erstattet zu bekommen?
Die Erstattungsansprüche unterliegen der Verjährung, d.h. nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums kann die Einrichtung die Erstattung verweigern.
Die Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist.
Kann die Frage der Kostenerstattung vorsorglich vertraglich geregelt werden?
Ja! Der Wohn- und Betreuungsvertrag („Heimvertrag“) regelt die Rechte und Pflichten zwischen Bewohnerinnen/Bewohnern und dem Einrichtungsträger, also auch die Zahlungs- und Erstattungspflichten. Er kann also auch Regelungen zur Kostenerstattung bei (evtl.) Sondenernährung enthalten.
Der Wohn- und Betreuungsvertrag liegt meist in vorgefertigter Fassung vor und wird so den (zukünftigen) Bewohnerinnen und Bewohnern präsentiert. Er ist ein „Mustervertrag“ und unterliegt daher den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB).
Falls ein Vertrag eine Klausel enthält, wonach auch bei enteraler Ernährung der volle Verpflegungssatz zu zahlen ist, obwohl keine oder nur in geringem Umfang sonstige Verpflegung eingenommen wird, verstößt dies gegen die Grundsätze des § 615 Satz 2 BGB (unangemessene Benachteiligung der Betroffenen). Daher ist eine solche Klausel in der Regel als unwirksam anzusehen.
Was versteht man unter Diäten?
Seit Hippokrates wird als Diät eine spezielle Ernährung bezeichnet, bei der längerfristig oder dauerhaft eine spezielle Auswahl von Nahrungsmitteln verzehrt wird. Heutzutage bezeichnet das Wort Diät:
- Eine kurzfristige Veränderung der Ernährungsform zur Gewichtsreduktion (Reduktionsdiät) oder
- Eine längerfristige oder dauerhafte Ernährungsumstellung zur unterstützenden Behandlung einer Krankheit (Krankenkost)
Gilt für diätetische Lebensmittel das Gleiche wie für Sondenernährung?
Grundsätzlich nein!
Voraussetzung dafür, dass Diäten mit enteraler (Sonden-)Ernährung verglichen werden können, ist, dass die Diäten ärztlich verordnet und von den Krankenkassen bezahlt werden. Diese Vergleichbarkeit ist in den meisten Fällen nicht gegeben, da sie keine Heilmittel oder Arzneimittel sind.
Heilmittel im Sinne von § 32 SGB V sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Fehlt einem Mittel zudem die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung, dürfte es schon deswegen nicht von den Krankenkassen als Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V anerkannt werden.
Die Gerichte haben in zahlreichen Fällen bei Diäten eine Erstattungspflicht der Krankenkassen verneint. Insofern liegt dann auch kein Fall der „doppelten Bezahlung“ durch Krankenkasse und Heimbewohner/Heimbewohnerin vor.
Nur wenn die Ernährung von den Krankenkassen bezahlt wird und die Einrichtung dadurch Einsparungen hat, kann eine Erstattungspflicht in Frage kommen. Dann gilt dasselbe wie bei der enteralen Ernährung (s.o.).
An wen kann ich mich bei Fragen wenden?
Ansprechpartner sind die Einrichtungsleitung und die Kassen. Unabhängige Informationen und Beratung bei Problemen bietet darüber hinaus die BIVA.
Die BIVA bietet auch Vertragsprüfungen an, in der u.a. unzulässige Klauseln zur Kostenerstattung bei besonderer Ernährung offengelegt werden.
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