Pflegeschutzbund e. V.

Die Möglichkeiten, das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt in einer Einrichtung zu verändern – insbesondere zu erhöhen – ist in den Heimverträgen geregelt. Die Zuständigkeit für die Regelung dieser vertragsrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des Heimrechts liegt beim Bund. Nach der Föderalismusreform im Jahre 2006 wurde dazu das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) geschaffen, das am 1. Oktober 2009 in Kraft getreten ist und das vormals geltende Bundes-Heimgesetz abgelöst hat.

Im WBVG sind u.a. die Anforderungen an den Inhalt von Heimverträgen (§ 6 WBVG) konkret dargestellt und die strengen Anforderungen hinsichtlich einer Erhöhung des Entgelts sowie für die Mitteilung einer solchen Entgelterhöhung (§ 9 WBVG) geregelt. Die bereits schon früher geltende Vier-Wochen-Frist für die Ankündigung der Erhöhungsbegehren blieb erhalten.

Neben den beiden Parteien Unternehmer (= Einrichtungsträger) und Verbraucher (= Bewohner) des Heimvertragsverhältnisses sind aber seit Einführung der Pflegeversicherung zum 01.07.1996 im stationären Bereich auch noch Pflegekassen und Sozialhilfeträger (sog. Kostenträger) bei der Festsetzung der Heimentgelte beteiligt. Seitdem werden die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung in den Einrichtungen, in denen die Pflegekassen für ihre Versicherten Leistungen erbringen, zwischen diesen Kostenträgern auf der einen Seite und den Heimträgern (sog. Leistungsträger) auf der anderen Seite in den Pflegesatzvereinbarungen ausgehandelt.

Dies kompliziert das Verfahren bei Entgelterhöhungen und macht es für Außenstehende unübersichtlich. Das gilt auch für die Frage, wann die vierwöchige Frist für die Ankündigung der Entgelterhöhungen zu laufen beginnt.

Übersicht über den zeitlichen Ablauf von Vergütungsverhandlungen

1. Feststellung der Änderung der bisherigen Berechnungsgrundlage.

2. Anhörung der Bewohnervertretung zu den Änderungen und deren Auswirkungen auf die Preise.

3. Aufforderung an die Kostenträger zur Aufnahme von Pflegesatzverhandlungen.

4. Durchführung der Pflegesatzverhandlungen, ggf. unter Beteiligung der Bewohnervertretung.

5. Abschluss der Verhandlungen mit Einigung oder Anrufung der Schiedsstelle mit Spruch der Schiedsstelle zur Festlegung des Umfangs und Zeitpunkts der Erhöhung, ggf. Rückwirkung der Erhöhung.

Wie sieht eine Erhöhungsmitteilung aus?

Üblicherweise wird den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Schreiben ausgehändigt, das wie das folgende aussehen kann:

„Herrn/Frau Meier-Müller

im Hause Rosenstolz

Ankündigung der Entgelterhöhung gemäß § 9 WBVG

Entenburg, den 15.10.2014, persönlich übergeben

Sehr geehrte Frau …, sehr geehrter Herr…,

hiermit teile ich Ihnen mit, dass wir Ihnen zum 01.12.2014 die Erhöhung der Entgelte für Pflegeleistung und für Unterkunft und Verpflegung berechnen.

Die Pflegesatzverhandlung für die Pflegevergütung und das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung hat am 29.09.2014 stattgefunden, die vereinbarten Entgelte können laut Vergütungsvereinbarung ab dem 01.10.2014 berechnet werden.“

1. Darstellung der Entgelterhöhunqen

„Wir stellen Ihnen nachfolgend die wesentlichen Bestimmungsfaktoren, die zu den geltend gemachten und vereinbarten Entgelten geführt haben, zusammen:

Gegenüberstellung bisherige und erwartete künftige Kosten

LeistungsartBisherige KostenKünftige KostenBegründung
Personalkosten0.000.000,00 €0.000.000,00 €Tariferhöhungen x %, Neueinstellungen von x Mitarbeitern
Lebensmittel000.000,00 €000.000,00 €Kosteneinsparungen wegen Sammeleinkauf
Versicherungen, Steuern, Abgaben0.000,00 €00.000,00 €Versicherungssteuer von x % auf y % gestiegen
Energiekosten00.000.00 €00.000,00 €Steigerung der Marktpreise um x %
Wäscherei (Fremddienstleistungen)00.000,00 €00.000,00 €Auslaufen des bisherigen Vertrages, Neuabschluss unter geänderten Vertragsbedingungen

Umlegungsmaßstab:

LeistungsartAllgemeiner UmlageschlüsselAnteil am individuellen HeimentgeltAufteilung auf Unterkunft (U), Verpflegung (V), Betreuung/Pflege (B).
Personalkostennach Köpfen/pro Person00,00 €U: x % V: y % B: z %
Lebensmittelnach Köpfen/pro Person00,00 €V: 100 %
Versicherungennach Köpfen/pro Person00,00 €U: x % V: y % B: z %
Energiekostennach Wohnfläche00,00 €U: x % V: y % B: z %
Wäschereinach Köpfen/pro Person00,00 €U: x% V: y % B: z %

Gegenüberstellung der Heimentgelte (Beispiel für Tagessatz):

PflegegradAltNeuÄnderungen in €Änderungen in %
152,5254,742,224,23
262,0264,812,794,50
374,7078,253,554,75

4

5

87,3891,694,314,93
davon fallen auf Unterkunft9,5610,150.596,17
davon fallen auf Verpflegung5,205,500,305,77

Die Investitionskosten wurden nicht verhandelt und bleiben daher unberührt.
Die monatliche Abrechnung erfolgt nach Pflegetagen unter Abzug der pauschalen Leistungen der Pflegekassen.“

2. Angemessenheit der Erhöhung und des erhöhten Entgeltes

„Die erhöhten Entgelte bewegen sich im Vergleich zu denen anderer Einrichtungen in der Region im vergleichbaren Rahmen und sind daher angemessen. Die Angemessenheit der Erhöhung folgt zum einen aus der Tatsache, dass sie lediglich die lang überfällige durchschnittliche Steigerung nachvollzieht und zum anderen daraus, dass die Kostenträger die Erhöhung ebenfalls als notwendig erachten und ihrerseits vereinbart haben. Insbesondere eine tarifvertragliche Anhebung der Personalkosten im Bereich Pflege hat zu einer Steigung der Personalkosten geführt.

Ihre Bewohnervertretung war in das Pflegesatzverfahren eingebunden und hat der Erhöhung zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen“

Was sagt die Rechtsprechung dazu? Das Urteil des Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts über Entgelterhöhungen

Die für das Verfahren bei der Entgelterhöhung prägende Entscheidung zum damals noch geltenden Heimgesetz hat Auswirkungen auch auf das heute geltende WBVG, das in der Vorgehensweise entsprechend verfasst wurde, und ist daher nach wie vor aktuell.

Mit Entscheidung vom 13. Oktober 2005 (Aktenzeichen 2 LB 37/05) hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) festgestellt, dass für eine fristgemäße und wirksame Ankündigung einer Entgelterhöhung gemäß § 7 Abs. 3 Heimgesetz die vom Einrichtungsträger schriftlich mitgeteilten beabsichtigten Entgelte ausreichend sind und rückwirkende Entgeltfestsetzungen durch die Schiedsstelle dem Einrichtungsträger zugute kommen, d.h. also zulässig sind. Das Gericht ist der Meinung , dass diese Entscheidung die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner nicht belastet.

Streitig war zwischen Heimträger und Heimaufsicht, wann die Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 3 Heimgesetz in Gang gesetzt wird. Der beklagte Landkreis (Heimaufsicht) vertrat die Auffassung, dass die  Vier-Wochen-Frist erst zu laufen beginne, wenn das Ergebnis der Vergütungsverhandlungen zwischen Heimträger und Kostenträger – das Schiedsstellenverfahren eingeschlossen – feststehe. Das Oberverwaltungsgericht schloss sich der Meinung des Einrichtungsträgers an und erklärte, dass es für ein Ingangsetzen der vierwöchigen Ankündigungsfrist ausreichend sei, den betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern anzukündigen, mit welchen Vorstellungen der Einrichtungsträger in die Entgeltverhandlungen mit den Kostenträgern eintritt.

Wann müssen die Bewohnerinnen und Bewohner informiert werden?

Gemäß § 9 Absatz 2 Satz 4 WBVG schuldet der Verbraucher (= Bewohner) das erhöhte Entgelt frühestens vier Wochen nach Zugang eines hinreichend begründeten Erhöhungsverlangens. Der Unternehmer (= Heimträger) wird danach seine Erhöhungsmitteilungen so früh wie möglich verschicken, d.h. sobald er die Daten aufbereitet hat und die Begründungen den Bewohnerinnen und Bewohnern vorlegen kann. Nur so kann er sich die Möglichkeit offenhalten, so früh wie möglich das erhöhte Entgelt fordern zu können.

Die Bewohner sollten diese frühe Mitteilung nutzen, sich mit den Angaben des Trägers zu den Begründungen ausgiebig auseinanderzusetzen, d.h. die Gründe zu hinterfragen und – z.B. mit Unterstützung eines Stellvertreters, der Bewohnervertretung oder des BIVA-Beratungsdienstes  –  die Begründung sowie die Angemessenheit des Erhöhungsbegehrens zu überprüfen. Dieses Recht haben Sie, da § 9 Absatz 2 Satz 5 WBVG bestimmt, dass der Verbraucher rechtzeitig Gelegenheit erhalten muss, die Angaben des Unternehmers durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen.

Wirksam wird eine Erhöhung nur bei Einhaltung der Voraussetzungen des § 9 WBVG:

  • schriftliche Mitteilung,
  • Nennung des Termins, von dem an das erhöhte Entgelt gefordert wird,
  • Einhaltung der Vier-Wochen-Frist,
  • Begründung der Änderungen in der Berechnungsgrundlage,
  • Auflistung der geänderten Positionen anhand der Leistungsbeschreibung im Heimvertrag,
  • Erläuterung der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Entgelterhöhung,
  • Begründung der Angemessenheit
    der Kostensteigerungen und des geforderten Preises durch Nennung von Vergleichseinrichtungen oder durch Bezugnahme auf das Ergebnis der  Pflegesatzverhandlungen,
  • Gegenüberstellung der alten Entgeltbestandteile und der neuen Entgeltbestandteile,
  • Nennung des Umlagemaßstabs.

Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Erhöhungsbegehren unwirksam.

Diese gesetzlichen Mindestanforderungen gelten sowohl für Selbstzahler als auch für den Personenkreis, der Leistungen der Pflegekassen und/oder der Sozialhilfeträger erhält.

Habe ich ein Kündigungsrecht, falls ich die Erhöhung nicht mitmachen möchte?

Sollte man die erhöhten Heimentgelte nicht tragen wollen oder tragen können, bleibt den Bewohnerinnen und Bewohnern immer noch das Sonderkündigungsrecht des § 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG:

„Bei einer Erhöhung des Entgeltes ist eine Kündigung jederzeit zu dem Zeitpunkt möglich, zu dem der Unternehmer die Erhöhung des Entgelts verlangt.“

Andererseits darf der Heimträger nicht mit einer Kündigung drohen, wenn die Bewohnerin oder der Bewohner der Preiserhöhung Widerstand entgegensetzt (§ 12 Abs. 1 Satz 3 WBVG):

„Eine Kündigung des Vertrages zum Zwecke der Erhöhung des Entgelts ist ausgeschlossen.“

Entgelt­erhöhung im Pflege­heim – So können Sie dagegen vorgehen

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