Derzeit gehen bei uns viele Anfragen zum Thema „Höherstufung“ ein. Dies mag mit den Neuerungen nach dem Pflegestärkungsgesetz II (PSG II) zusammenhängen. Zum einen kann es vor dem Hintergrund der Überführung in die neuen Pflegegrade zum 01.01.2017 für Betroffene und deren Angehörige interessant sein, vorher noch eine andere höhere Stufe zu erreichen. Zum anderen kann es auch im Interesse der Einrichtungen hinsichtlich der Neuberechnung von Eigenanteilen und Personaleinsatz sein, möglichst viele Personen noch vor der Umstellung in eine höhere Pflegestufe einzugruppieren.
Ärgerlich ist die Aufforderung einer Einrichtung, einen Antrag auf Höherstufung zu stellen, dann, wenn die Betroffenen und / oder Angehörigen dies nicht nachvollziehen können, da sich an dem Gesamtbedarf nichts geändert hat, die Auswirkungen auf die eigenen Beiträge aber erheblich sein werden.
Grundsätzlich raten wir allen Betroffenen und Angehörigen, sich bei Zweifeln mit der Materie zu beschäftigen und nicht einfach „auf Zuruf“ vorgefertigte Anträge zu unterzeichnen oder sogar die Einrichtung zu ermächtigen, dies zu tun. Denn, das Recht, einen Antrag auf „Überprüfung der Pflegestufe“ zu stellen, liegt grundsätzlich bei der pflegebedürftigen Person selbst bzw. deren Bevollmächtigten bzw. Betreuer:innen. Hier sollte man bereits für den evtl. späteren Fall eines Widerspruchs darauf achten, dass auf Druck nicht ein „Antrag auf Höherstufung“ gestellt wird, sondern „auf Überprüfung der Pflegestufe“. Das Ergebnis des Überprüfungs-Antrags ist nämlich offen.
Eine Einrichtung ist gemäß § 8 WBVG verpflichtet, dem Betroffenen bzw. dessen Bevollmächtigten bei einer Veränderung des Pflege- und Betreuungsbedarfs eine entsprechende Anpassung der Leistungen anzubieten (Abs. 1 S. 1). Dies hat gemäß Abs. 3 schriftlich und begründet zu geschehen, in Form einer Gegenüberstellung der bisherigen und der angebotenen Leistungen sowie der jeweils zu entrichtenden Entgelte. Das bedeutet, dem Erklärungsempfänger muss aus dem Anschreiben klar werden, warum eine andere Pflegestufe notwendig ist und welche Folgen (monetärer Art) damit verbunden sind. Erst auf Grundlage eines derartigen Angebots kann die betroffene Person bzw. können deren Angehörige die Entscheidung treffen, ob sie das Angebot annehmen (Abs. 1 S. 2).
Folge einer Annahme ist in der Regel die Antragstellung, da letztendlich nur die Gutachter:innen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) bzw. der sonstigen beauftragten Institutionen entscheiden können, ob die Voraussetzungen für eine andere Pflegestufe vorliegen.
Wird zum Ausdruck gebracht, dass auf keinen Fall eine Veränderung der Pflegesituation gewünscht ist und mitgetragen wird, könnte dies im schlimmsten Fall sogar zu einer Kündigung führen, weil die betroffene Person aus Sicht der Verantwortlichen nicht mehr ausreichend versorgt werden kann. Verweigert der Betroffene bzw. verweigern dessen Bevollmächtigte die Antragstellung, kann dies zur Folge haben, dass die Einrichtung ab dem zweiten Monat nach der Aufforderung den neuen höheren Eigenanteil in Rechnung stellt (§ 87 a Abs. 2 SGB XI). Dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Einrichtung aufgrund des Bedarfs der betroffenen Person bereits seit einiger Zeit ein Mehr an Leistungen erbringt.
Um die Situation richtig einschätzen zu kennen, ist es daher wichtig, sich genau zu informieren, wenn Sie die Aufforderung erhalten, einen Höherstufungsantrag zu stellen. Bestehen Sie auf eine schriftliche Begründung, hinterfragen Sie diese, wenn die Ausführungen nicht nachvollzogen werden können und gleichen Sie die Begründung bei Bedarf oder bei Zweifeln mit der Pflegedokumentation sowie Ihren eigenen Eindrücken und Beobachtungen ab.
Wir erfahren oft, dass sich Betroffene bzw. deren Angehörige von massiven und kurzfristig gestellten Aufforderungen zur Antragstellung „überrollt“ fühlen. Die letzte Entscheidung trifft ohnehin der Gutachter. Und auch einem Gutachten kann man im Zweifelsfall widersprechen, wenn man eine Zweitbegutachtung für notwendig hält. Wichtig ist aber, dass Sie, egal welchen Weg Sie gehen, immer die pflegebedürftige Person selbst und deren Hilfebedarf im Auge haben.