Typische Probleme bei Demenz-WGs
Das Wichtigste in Kürze
- Demenz-WGs versprechen große Freiheiten und Selbstbestimmung der Bewohnenden.
- In anbieterverantworteten WGs ist man aber im doppelten Sinne abhängig vom Anbieter, da dieser sowohl Wohn-, als auch Betreuungsleistungen anbietet.
- Im BIVA-Beratungsdienst melden sich daher immer wieder Ratsuchende mit Problemen, besonders: mit der Organisation, den Verträgen, der Zuständigkeit der Heimaufsicht und bei Entgelterhöhungen.
Die große Freiheit, die bei Gestaltung einer Wohngemeinschaft im Gegensatz zum Heim vorliegt, hat auch eine Kehrseite, wie wir immer wieder in der Beratung feststellen müssen. Gerade die Aufsplittung der Verträge ohne die Anwendung eines verbindlichen Verbraucherschutzgesetzes führt häufig zu Problemen.
Die Anwendbarkeit des Verbraucherschutzgesetzes WBVG hängt davon ab, ob Wohn-, Betreuungs- und Pflegeleistungen aus einer Hand erbracht werden. Es gilt in der Regel dann, wenn der oder die Pflegebedürftige in diesem Sinne doppelt abhängig ist. Mehr allgemeine Infos dazu.
Problemfaktor richtige und realistische Organisation von Demenz-WGs
Organisieren sich pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen bzw. Betreuer:innen selbst, um eine Wohngemeinschaft zu gründen und zu gestalten, sollte man bereits zu Beginn des Projekts festlegen, welche Rechtsform man sich gibt, wer die Wohngemeinschaft nach außen hin vertritt, wie Partizipationsprozesse ausgestaltet werden und im Detail, unter welchen Voraussetzungen die pflegerische Versorgung organisiert wird. Gerade bei Beauftragung und Kündigung eines Pflegedienstes ist es wichtig, sich zu überlegen, mit welcher Mehrheit Beschlüsse gefasst werden können. Dasselbe gilt für die Neuaufnahme und Kündigung von Bewohner:innen sowie die Verwendung des Haushaltsgeldes. Hier ist es darüber hinaus ratsam, ehrlich bereits im Vorfeld zu prüfen, wie man mit Mitbewohner:innen umgehen will, die mit zunehmendem Pflegegrad „schwierig“ oder „herausfordernd“ werden.
Vertragsgestaltung bei Problemen in der Demenz-WG entscheidend
Bei anbieterverantworteten Wohngemeinschaften sind diese Probleme augenscheinlich bereits gelöst, weil der Anbieter dies vorgibt. Aber auch hier lauert einiges Streitpotential. In der Regel schließen die Bewohner:innen bei Einzug mehrere Verträge: einen Mietvertrag, einen Pflegevertrag sowie einen Betreuungsvertrag. Häufig gibt es auch noch Vereinbarungen zum Haushaltsgeld. Alle diese Verträge können voneinander abhängen oder vermeintlich unabhängig gestaltet sein. Hängen die Verträge voneinander ab, was aber seltener der Fall ist, so kann auch bei einer Wohngemeinschaft das strenge Verbraucherschutzgesetz Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) gelten. Genau dies versuchen aber Anbieter regelmäßig zu vermeiden. So kommt es, dass Bewohner:innen einen Vertrag mit einem Vermieter schließen, für den das Mietrecht nach BGB gilt, einen Pflegevertrag, auf den das Dienstleistungsrecht nach BGB anwendbar ist sowie einen ebensolchen Betreuungsvertrag. Kommt es nun z.B. mit dem Anbieter von Pflegeleistungen zu einem Streit, der mit einer Kündigung endet, „sitzt“ die betroffene Person in einem Zimmer der WG mit gültigem Mietvertrag, da dieser von der Kündigung des Pflegevertrags nicht betroffen ist, und findet womöglich keinen anderen Pflegedienst, der in die Wohngemeinschaft kommt, da diese ja bereits von einem Pflegedienst versorgt wird. Selbst wenn die betroffene Person dann ausziehen will, unterliegt der Mietvertrag in der Regel der dreimonatigen ordentlichen Kündigungsfrist, da es diesbezüglich ja keinen Grund und damit Berechtigung zu einer fristlosen Kündigung gibt. Würde dagegen ein Streit mit dem Vermieter vorliegen und eskalieren, könnte es passieren, dass dieser den Mietvertrag fristlos wegen vertragswidrigen Handelns kündigt, obwohl der Mieter doch eine Person ist, die von Pflege abhängig ist. Hier zu klären, ob Sozialklauseln greifen, ist zeitaufwendig und belastend.
Streitpotential Entgelterhöhung in Demenz-WGs
Auch das Thema „Entgelterhöhungen“ birgt gerade in anbieterverantworteten Wohngemeinschaften Streitpotential. Für stationäre Einrichtungen ist dieser Vorgang in § 9 WBVG geregelt und muss genau eingehalten werden. Ambulante Pflegeverträge enthalten dagegen häufig nebulöse Regelungen, die lediglich besagen, dass eine Erhöhung der Entgelte möglich ist, wenn diese neu vereinbart werden. Davon abgesehen, dass viele dieser Regelungen ohnehin nicht ausreichend sind, können die WG-Bewohner:innen häufig mangels Transparenz auch gar nicht nachvollziehen, ob die Erhöhung berechtigt ist und man etwas dagegen tun könnte. Und das trotz häufig ähnlich hoher Kosten wie im Heim und derselben Abhängigkeit. Hier sind dann doch selbstverantwortete Wohngemeinschaften bevorzugt, die den Pflegedienst unter den vereinbarten Umständen wechseln können.
Heimaufsicht bei Demenz-WGs nur teilweise zuständig
Hinzu kommt bei dem „Konstrukt Wohngemeinschaft“, dass die Heimaufsicht nur bedingt bezüglich des Pflegedienstes zuständig ist. Häufig leben aber vielfältig pflegebedürftige Menschen in entsprechender Abhängigkeit wie in einem kleinen Heim zusammen, so dass sich Probleme stark auswirken und eventuell einer regelmäßigen bzw. anlassbezogenen Überprüfung bedürfen. Die Aufsichtsbehörde hat aber hier nach den jeweiligen Landesheimgesetzen häufig nicht dieselben Befugnisse wie in einer stationären Einrichtung. Aus diesem Grund gibt es zum Schutz der Bewohner:innen auch Landesheimgesetze, die klare Regelungen für eine (selbstbestimmte) WG aufweisen und bei Nichtvorliegen davon ausgehen, dass es sich dann um ein „Kleinstheim“ handelt, auf das die Regeln für stationäre Einrichtungen Anwendung finden.
Wie kann ich Probleme in der Demenz-WG vermeiden?
Das Leben in einer Wohngemeinschaft birgt viele Chancen und Möglichkeiten für ein individuelles selbstbestimmtes Leben in Gemeinschaft. Man sollte sich aber vor Einzug in eine solche Gemeinschaft darüber informieren, welche Rechte und Pflichten man hat und wie sich die Umstände verändern können. Der BIVA-Pflegeschutzbund bietet dazu bereits im Vorfeld Vertragsprüfungen für Mitglieder an, um Gefahren und Optionen aufzuzeigen, und berät bei Fragen und Streitigkeiten.