Pflegeschutzbund e. V.

Was ist das Besondere an einer Demenz-WG?

Das Wichtigste in Kürze

  • Demenz-WGs versprechen ein hohes Maß an Freiheit, Selbstbestimmung und eine familiäre Atmosphäre.
  • Volle Freiheiten hat man bei einer selbst gegründeten, einer sogenannten selbstverantworteten Demenz-WG.
  • Vor Gründung gilt es einiges zu beachten: die Rollen und Aufgaben der Beteiligten, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Koordination des Pflegedienstes sowie die Finanzierung.
  • Dabei lauern einige Fallstricke und nicht jeder ist für eine Demenz-WG geeignet.

Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz – kurz: Demenz-WG – soll Demenzkranken betreutes Wohnen in familiärer Atmosphäre ermöglichen. In einer Demenz-WG leben zwei bis maximal zwölf Personen in einer großen Wohnung zusammen. Sie werden durch Angehörige, Bevollmächtigte oder rechtliche Betreuer vertreten, sind aber „normale“ Mieter mit Hausrecht und Schlüsselgewalt. Die WG-Mitglieder werden rund um die Uhr versorgt: Angehörige beauftragen gemeinsam einen ambulanten Pflegedienst und nehmen in Absprache selbst Pflege- und Betreuungsaufgaben wahr. Ob man  grundsätzlich für das Leben in einer Demenz-WG geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte gut überlegt sein. Zum anderen gilt es zu klären, ob die Art und Ausprägung der Demenzerkrankung eine kleine, familiäre Atmosphäre überhaupt zulässt. Ein starkes Bewegungsbedürfnis spricht zum Beispiel eher dagegen.

Selbst-und anbieterverantwortete Demenz-WGs

Grundsätzlich gibt es zwei Organisationsformen von Demenz-WGs: die selbstverantwortete und die anbieterverantwortete Demenz-WG. Die ursprüngliche Idee war die einer selbstverantworteten Demenz-WG. Da sich das aber oft als problematisch herausgestellt hat, betreiben inzwischen auch Pflegedienste Demenz-WGs. Beide Organisationsformen haben Vor- und Nachteile. Im Folgenden geht es um die selbstverantwortete Demenz-WG. In diesem Artikel erfahren Sie Näheres zu typischen Problemen bei anbieterverantworteten Demenz-WGs.

Aufgaben, Rechte und Pflichten der WG-Beteiligten

Die WG-Mitglieder, ihre Angehörigen bzw. Bevollmächtigten/rechtliche Betreuer und die Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes tragen gemeinsam zum Gelingen einer Demenz-WG bei. Dabei hat jeder bestimmte Rechte, Pflichten und Aufgaben.

Die Mitglieder der Demenz-WG

Die demenzerkrankten WG-Mitglieder bzw. deren Vertreter sind Mieter mit den üblichen Rechten und Pflichten. Sie bestimmen ihren Tagesablauf selbst und können nach ihren Wünschen kommen und gehen oder Besuch empfangen. Die Bewohner entscheiden auch, wie die Räumlichkeiten eingerichtet werden, wer als neues Mitglied aufgenommen wird oder welcher Pflegedienst beauftragt wird.

Angehörige, rechtliche Betreuer und Bevollmächtigte

Die generelle Verantwortung und auch die Kontrolle der Versorgung durch den Pflegedienst liegen bei den Angehörigen bzw. Bevollmächtigten. Sie treffen sich als Interessenvertreter der Erkrankten regelmäßig, um gemeinsame WG-Angelegenheiten zu besprechen oder Beschlüsse zu fassen. Auch kümmern sie sich um gemeinsame Anschaffungen oder Renovierungen. Denkbar ist auch, dass eine Person mit in der WG lebt, die hauptverantwortlich die organisatorischen, verwaltenden und betreuenden Tätigkeiten übernimmt oder bei der Haushaltsführung unterstützt.

Der ambulante Pflegedienst

Die Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes übernehmen in der Regel Grund- und Behandlungspflege, soziale Betreuung und auch die hauswirtschaftliche Versorgung. Sie sorgen auch dafür, dass immer eine Präsenzkraft anwesend ist und strukturieren den Tagesablauf durch gemeinsame Mahlzeiten und verschiedene Aktivitäten. Idealerweise kennen die Pflegekräfte die Biografien ihrer Schützlinge gut, so dass individuelle Fähigkeiten gefördert und Vorlieben bzw. Abneigungen bei der Alltagsgestaltung berücksichtigt werden können.

Kosten und Finanzierung einer Demenz-WG

Die monatlichen Kosten in einer Demenz-WG setzen sich zusammen aus Miete, Haushaltsgeld und Pflege und Betreuung. Sie entsprechen ungefähr denen einer stationären Pflege im Pflegeheim. Wenn Angehörige Betreuungsaufgaben übernehmen, reduzieren sich die Kosten. Es ist also sinnvoll, im Vertrag mit dem Pflegedienst Umfang und Form der Betreuung genau zu regeln.

Wenn Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2 oder höher anerkannt ist, zahlt die Pflegeversicherung die Beträge für die Sachleistung der ambulanten Pflege. Leben mindestens zwei Pflegebedürftige in einer WG, werden unter bestimmten Voraussetzungen monatlich 214 Euro als Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI gezahlt. Er kann für koordinierende, organisatorische und pflegerische Leistungen des Pflegedienstes eingesetzt werden, wenn es eine anerkannte Präsenzkraft gibt. Außerdem stehen jedem Bewohner monatlich 125 Euro Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI zur Verfügung.

Zum Aufbau einer Pflege-WG können Starthilfe-Mittel nach § 45e SGB XI von 2.500 Euro pro Person sowie Gelder für Umbaumaßnahmen bis 16.000 Euro nach § 40 SGB XI beantragt werden. Reichen die eigenen Mittel zur Finanzierung der Pflege nicht aus, können Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII bzw. Sozialhilfe beantragt werden.

Rechtlicher Rahmen für Demenz-WGs

Im Gegensatz zum Pflegeheim werden in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft häufig Mietvertrag und Pflegevertrag unabhängig voneinander abgeschlossen. Können die WG-Mitglieder nicht selbst ihre Rechte vertreten, muss dazu ein Gremium aus Angehörigen, rechtlichen Betreuern oder Bevollmächtigten gebildet werden. Organisation und Gestaltung des Alltagslebens übernehmen die Angehörigengemeinschaft und der Pflegdienst gemeinsam in Absprache.

Der rechtliche Rahmen für ambulant betreute Wohngemeinschaften ist in den einzelnen Bundesländern durch die jeweiligen Landesgesetze geregelt. Auch die Zuständigkeit der Heimaufsichtsbehörden (Heimaufsicht) unterscheidet sich je nach Bundesland.

Tipp: Unterstützung durch ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe

Bei der regelmäßigen Unterstützung im Alltag von Demenzkranken kann die Nachbarschaftshilfe eine hilfreiche Ergänzung sein, um Angehörige und auch die professionellen Pflegedienste zu entlasten. Nachbarschaftshelfer sind Ehrenamtliche, die je nach Landesrecht mit unterschiedlichen Vorgaben qualifiziert und von der Pflegekasse anerkannt sind. Nachbarschaftshilfe gilt als Leistung zur Unterstützung im Alltag bzw. als so genannte niedrigschwellige Entlastungs- oder Betreuungsleistung und kann in den meisten Bundesländern durch den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI mit bis zu 125 Euro monatlich finanziert werden. Ausnahmen sind derzeit nur Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Noch bis zum 30. September 2022 kann der Entlastungsbetrag im Rahmen der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe unter erleichterten Bedingungen eingesetzt werden – also ohne Nachweis einer geeigneten Qualifizierung und ohne formelle Anerkennung der ehrenamtlichen Helfer bei den Pflegekassen. Die Sonderregelung gilt u.a. für Hessen, Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein.

Tipp zur Gründung einer Demenz-WG

Eine selbstverantwortete Demenz-WG ist eine große organisatorische Herausforderung für die verantwortlichen Angehörigen, Bevollmächtigten oder Betreuer. Für die Gründung einer solchen WG sollte man sich professionell beraten lassen und kompetente Partner suchen. Gute Tipps gibt das Praxishandbuch „Es selbst in die Hand nehmen! Grundlagen für eine qualifizierte Pflege und Alltagsgestaltung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften“ des Vereins „Leben wie ich bin“.

Selbstverantwortete Demenz-WG: Grenzen des Konzepts in der Praxis

Die in diesem Artikel beschriebene Form der selbstverantworteten Demenz-WG klingt auf dem Papier attraktiv und entspricht dem Wunsch vieler Betroffener und Angehöriger auf eine mehr familiäre Versorgung als im Pflegeheim. Allerdings verlangt es den Angehörigen sehr viel ab – denn die Bewohnenden können sich aufgrund ihrer Einschränkung mehrheitlich nicht um ihre Angelegenheiten kümmern. Auch wenn die beschriebene organisatorische Vorarbeit geleistet wurde, ergeben sich nicht selten Folgeprobleme, sobald ein Bewohner verstirbt oder ausziehen muss. Einen oder eine Nachfolger:in zu finden, die mitsamt Umfeld genau in das Konzept passt, ist schwierig.

Die Idee einer Wohngemeinschaft ist, ein möglichst individuelles und selbstbestimmtes Zusammenleben mit Gleichgesinnten zu ermöglichen. Bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen erweist es sich aber als äußerst schwierig, ihnen Mitwirkung und Beteiligung zu ermöglichen. Hier bedarf es Enthusiasmus der Beteiligten sowie ausgeklügelter Konzepte. Letztere haben die Angehörigen als Laien allerdings eher selten.

Die Mehrzahl der Angebote auf dem Markt wird folgerichtig von einem Pflegedienst betrieben. Es gibt tolle Anbieter, die genau das umsetzen, aber auch vielen professionellen Betreibern fehlen Zeit, Geld und Knowhow. Rein faktisch begeben sich von Pflege betroffene Menschen mit dem Einzug in eine solche Wohngemeinschaft in eine Abhängig vom Anbieter. Daraus ergeben sich andere Probleme, die  in folgendem Artikel zusammengefasst werden.

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